Die Brünig-Napf-Reuss-Linie

Der Name leitet sich vom Verlauf dieser naturgemäß fließenden kulturhistorischen Trennlinie ab, die (von Nord nach Süd) vorerst dem Unterlauf der Reuss folgt, dann den voralpinen im Mittelland liegenden Napf genannten Hügelzug in Westrichtung durchquert, die Emmentaler Alpen im Westen bogenförmig umgeht und vor der Hauptkette der Berner Alpen etwa im Bereich des Brünigpasses endet. Sie verläuft somit innerhalb der Deutsch-Schweiz 50-100 km östlich der auch Röstigraben genannten Sprachgrenze.

Dbachmann, CC BY-SA 3.0

Röstigraben ist ein Terminus, der insbesondere den Unterschied im Abstimmungsverhalten zwischen Deutschschweizern und Romands, also der deutschsprachigen Bevölkerungsmehrheit und der frankophonen Schweiz bezeichnet. Ursprünglich war er ein scherzhafter Ausdruck für die „gefühlten“ Unterschiede zwischen den beiden größten Schweizer Sprachregionen. Die Rösti ist das typische Kartoffelgericht der Deutschschweizer Küche, das aber auch die Romands als pommes de terre fricassées ebenso lange kennen; jedoch wurde von diesen die kürzere deutsche Bezeichnung im Laufe der Zeit übernommen. In Anlehnung an den Eisernen Vorhang wird diese Trennlinie in der Welschschweiz Rideau de rösti (Röstivorhang) oder Barrière de rösti (Röstizaun) genannt. Als Realsymbol für den Röstigraben gilt der Fluss Saane.

Der Begriff wird häufig bemüht, wenn das Stimmverhalten bei Volksabstimmungen je nach Sprachregion unterschiedlich ausfällt: Am ehesten treten die Unterschiede im Bereich der Außen- bzw. Sozialpolitik zu Tage, wo die Romandie zumeist dem Ausland (auch der EU) gegenüber offener und staatlichen Regulierungen gegenüber freundlicher eingestellt ist. Die Italienische Schweiz stimmt bei außenpolitischen Themen üblicherweise wie die Deutschschweiz, sonst eher mit der Romandie zusammen; die Nordwestschweiz hingegen stimmt oftmals wie die Romandie ab und ist daher nicht eindeutig auf der Deutschschweizer Seite des Röstigrabens anzusiedeln. Einige Historiker und Volkskundler vertreten daher die Auffassung, die Brünig-Napf-Reuss-Linie sei die einzige wirklich einschneidende Kulturgrenze der Schweiz. Diese sei viel bedeutender als die Sprachgrenze, da die „westlichen“ Bräuche allesamt sowohl für die französisch-, als auch für die deutschsprachigen Bewohner der Westschweiz gelten.

Die Trennung geht auf das Frühmittelalter zurück. Westlich der Linie war damals der burgundische Einfluss, östlich der alemannische stärker wirksam. Die Kulturgrenze kam in den Aargau zu liegen, der über Jahrhunderte zwischen dem Königreich Burgund und dem Herzogtum Alemannien bzw. Schwaben umstritten war (siehe Karte unten). Die Trennlinie zeigt sich in unterschiedlichen Volksbräuchen und sie bildet auch eine (für außenstehende allerdings kaum erkennbare) Sprachgrenze innerhalb der hochalleman-nischen Mundarten und Dialekte.

Marco Zanoli, CC BY-SA 4.0

Dem Schweizer National(karten)spiel Jass wird zwar auf beiden Seiten der Trennlinie gehuldigt, jedoch werden unterschiedliche Spielkarten verwendet.

Im Westen werden französische Spielkarten verwendet
im Osten hingegen werden die sogenannten Deutschschweizer Spielkarten bevorzugt

Aber auch an Äußerlichkeiten sind manche Bewohner diesseits und jenseits der Trennlinie auch für Außenstehende leicht unterscheidbar. Äußeres Erkennungsmerkmal einiger östlich der Brünig-Napf-Reuss-Linie angesiedelten Bewohner ist (bei ansonsten dezent gleichmäßig braunen bis graubraunen Erscheinungsbild) ein schwarzes, hell eingefasstes Flotzmaul.

Das im Osten gehaltene Braunvieh, einer im 15. Jh. im Kloster Einsiedeln in der Zentralschweiz gezüchteten Rinderrasse, die auch im gesamten österreichischen Bundesland Vorarlberg und in den westlichen Gebieten Nord- und Südtirols dominant vorzufinden ist, ist eine milchbetonte Zweinutzungsrassse

Im Westen hingegen wird meist ein unpigmentiertes Flotzmaul, eine breite Stirn, eine ausgeprägte Wamme genannte von der Kehle bis zur Brust herabhängende Hautfalte und ein weißer Schwanz zur Schau getragen.

Richard Bartz, CC BY-SA 2.5; Die im Westteil der Schweiz vornehmlich gehaltene Rinderrasse Simmentaler Fleckvieh geht auf Hausrinder des Simmentals im Berner Oberland zurück und ist eine klassische Zweinutzungsrassse, bei der Milch- und Fleischleistung gleichermaßen wichtig ist
von Verlauf der Einzugsgebietsgrenze der Aare im Alpengebiet
bis
Brugg Die Einzugsgebietsgrenze der Aare zu ihrem rechten Nebenfluss Reuss (Aare/Reuss-Wasserscheide) beginnt im Gemeindegebiet der Stadt Brugg in den Zentralschweizer Voralpen im Kanton Aargau auf 331 m Seehöhe, verläuft in Südrichtung durch die zwischen Aare und Reuss gelegenen Stadtteile von Brugg und steigt zur Habsburg an. Habsburg